Montag, 22. November 2021

Abschied - Stufe für Stufe, dann auch gerne

Reaktion auf den Post „Abschied - stufenlos, aber ungern

Der Post zum Thema Abschied hat mich auf verschiedenen Ebenen oder auch Stufen sehr berührt. Viele kennen das Stufengedicht von Hermann Hesse, viele zitieren es bei Verabschiedungen, fokussieren dabei auf die Hoffnung, überspringen jedoch den Abschiedsschmerz, bei sich selbst sowie beim Anderen – man könnte meinen als Versuch, nicht traurig zu sein bzw. die Traurigkeit des Anderen aushalten zu müssen und stattdessen nach vorne zu blicken, auf den „Neubeginn“, z.B. beim Übergang in das Erwachsenenalter. So heißt es in dem Gedicht „Tapfer hörte ich mein Leben rufen“ – also was soll schon passieren mit dem „Zauber, der mich beschützt und mir hilft zu leben“? Über den Verlust des „heimischen“ und „traulichen“ hinwegzuschauen und stets bereit zu sein für „Aufbruch und Reise“, um nicht in „lähmender Gewöhnung zu erschlaffen“, kann Folgen haben, wenn auch zunächst vielleicht nicht sichtbar. Manchmal ist es einem schlichtweg nicht (bewusst) möglich, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. In einer derart (selbst-)optimierungsgefärbten Gesellschaft funktioniert man eben weiter mit Appellen an die eigene Aufbruchs- sowie Leistungsbereitschaft und hoffentlich daraus folgenden Erfolgserlebnissen, die das Gefühl von Kontrolle vermitteln. Man leistet, nie genug, aber doch genug, um immer mehr zu wollen – bis man irgendwann merkt nicht anzukommen.-

Ich glaube, dass dies einen inneren, einsamen Kampf beschreibt, den vermutlich viele junge Menschen an einer solchen Schwellensituation durchleben. Wohin mit all den Gefühlen des Abschiedes, des Verlustes, des Unklaren mit all dem (vermutlich) noch nicht Verarbeiteten aus Kindheit und Jugend? Viele gehen in die Ferne, um die Ablösung mit einer möglichst hohen Kilometerzahl zu erreichen und das Ihre zu finden. Doch was, wenn das nicht gelingt? Wenn man in der Ferne das „Trauliche“ nicht wiederfindet, aber braucht? Dann braucht man vielleicht doch einen geschützten Raum, der zur „Gewöhnung“ wird, einen Platz für einen selbst und ein Gegenüber, das diese Ohnmacht mit-aushält, das zuhört, glaubt sowie versteht, spiegelt, validiert, also anerkennt sowie bestärkt und somit das Alleinsein weniger allein anfühlen lässt: „Der Grund, warum der Patient sich einen Vater wünscht (und einen Analytiker braucht), ist der, dass er ohne eine befriedigende Beziehung zu einem anderen Menschen nicht zu einem sich entwickelnden Ich werden, sich nicht selbst finden kann.“ (Guntrip 1968, S. 174).