Dienstag, 12. Dezember 2017

Fragen fragen


Passend zum Jahresende werden wir in den nächsten Tagen mit unserem neuen Format "Fragen fragen" starten, für das wir je drei Psychotherapeuten ein und dieselbe, kleine Situation einer Behandlung geschildert haben und sie baten, uns zu beschreiben, wie sie vorgehen würden. Die Antworten zu unseren Fragen werden im Abstand von wenigen Wochen im Blog veröffentlicht. Die Antworten können von humoresk über lehrreich bis hin zu literarisch alles sein - und sind vielleicht in manchen Fällen auch alles drei. Wir hoffen, die Diversität der Antworten wird Sie anregen, Ihre eigenen zu finden.

Mit kollegialen Grüssen
Das Redaktions-Team



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Mittwoch, 29. November 2017

Bedrohte Räume (Germanwings)



Moderner Beichtstuhl, mit Abhörgefahr



Es ist immer wieder einmal ein Thema: Wie sollen die Träger von Berufsgeheimnissen damit umgehen, wenn ihnen etwas Aufrüttelndes berichtet wird, etwas, das die Allgemeinheit betrifft, wie etwa ein geplanter Banküberfall; oder etwas, das das Nachbarmädchen eines Patienten in Gefahr bringt, zum Opfer seiner perversen Sexualität zu werden. Es gibt eine das Rechtsempfinden des Einzelnen oft verstörende Rechtslage

Dienstag, 17. Oktober 2017

Ode an die Psychotherapie




Photo: mit freundlicher Genehmigung von
Herrn  Dipl.-Psych.  Daniel Nakhla, Heidelberg





















My comfort zone is uncomfortable (*)




Ich schau mir alles an und dann rast ich aus, zerschlag die Struktur, zerreibe und zerreiße.
Nichts darf bleiben, Ausverkauf. Das Alte ist zu eng, die Klamotten platzen, es passt nicht mehr, 
neuer Anstrich von innen. Neue Schubladen, neue Kategorien, das Meiste auf den Müll.
Nein, ich will es doch zurück. Es soll bleiben. Oder doch nicht. Beides.
Ich schmier die Wolken selbst aufs Brot, will es aber nicht mehr essen.
Ich schmeiß es weg und habe Hunger.
Ich bin satt vom Alten und Kaputten, keine Lust auf Gift von innen.
Der Mund geht zu, die Ohren auf. Ungesagtes, Ungedachtes, Unmögliches taucht auf am Horizont.
Reite auf der Welle und halte Ausschau.
Nach dem Guten und dem Funkeln, fast in Reichweite. Ich greife es und bleibe dran.
Alles bricht. Ich richt mich auf, ich halt mich fest, ich geb nicht auf. Ich glaub an mich.
Jetzt wird zerbissen, zerkaut und dann verdaut.
Es liegt nicht mehr in Reinform vor,
Einzelteile und Partikel misch ich neu mit Mörtel an, 
es wird gut. Ich weiß nicht wann.
Zusammen gibt es ein Gebilde, eine Sache, eine Welt,
in der ich mich bewegen kann, in der ich frei von mir geworden bin.
Alles ist laut, wird lauter und bricht auf.
Dann wird´s still. Ich fühl mich ruhig.
Einen Schritt gegangen.

Repeat.

(*=Marc Maron)



Elfrun Faude
HIP - Ausbildungsteilnehmerin Jhg. 2014

Sonntag, 23. Juli 2017

Selbsthilfegruppe



... and  stole  a  kiss
in  evr´y  street  café


Es war kein besonderer Tag, eher einer der üblichen anstrengenden Sorte, den du gerne vergisst, um ihn mit schöneren Tagen zu überschreiben, und von dem du, schon im beginnenden Zurückblicken, nicht sicher bist, ob er genug Sinn barg. Ich war auf dem Nachhauseweg, es muss Ende Juni gewesen sein, es war noch sehr hell und seltsam ruhig in der Stadt. Ich ging in Gedanken die Therapiesitzungen des Tages nochmal durch und war weder mit mir noch mit der heutigen Arbeit ganz zufrieden. Weil ich keine Lust hatte, den üblichen Weg zu gehen, drehte mein Unterbewusstsein mittendrin nach rechts ab und ich fand mich in einer Seitenstraße an der Rückseite des kleinen Theaters wieder. Da hörte ich sie. Erst ganz leise, da fragte ich mich, ob jemand sein Radio zu laut eingestellt hatte, doch dann wurde die Stimme lauter und ich erkannte den besonderen Augenblick. Sie sang, ein glockenheller Sopran, offenbar durchs geöffnete Fenster eines weiter oben gelegenen Probenraums. Unten saßen andächtig ein paar Frauen. Alle um die 60 oder älter, einfach gekleidet, einträchtig, ohne sich zu bewegen. Sie saßen unbequem, die Plastiktüte mit den täglichen Einkäufen neben sich abgestellt, teilweise auf dreckigen Mauervorsprüngen, eine angelehnt an einen geparkten Lieferwagen. Sie sprachen nicht, sondern bildeten eine stumme Skulptur. Sechs Frauen, die sich nicht zufällig, sondern absichtlich getroffen hatten, aber ihre Versammlung diente nicht einem Austausch, sondern die zusammengewürfelte, sich vermutlich auch fürderhin fremd bleibende Gruppe war offensichtlich gekommen, um zu lauschen. Ein heiliger Moment. Ich blieb stehen und lauschte auch. Wie schön. Ich bedauerte, dass die Melodie nicht flugs um die Welt ging. Wir denken viel zu oft, Therapie hätte immer etwas mit Therapeuten zu tun.

Doris Normann
HIP - externer Dozentenkreis

Dienstag, 20. Juni 2017

Bücherfreuden II


Berichte an den Gutachter schreiben und zuviele Konzepte auf einmal im Kopf?
Liebe Leserin, lieber Leser, wir haben eine neue Rezension!

Handbuch Psychotherapie-Antrag


Montag, 5. Juni 2017

» Beziehungsfeuerwerk ». Eine Anmerkung zu I.Yalom.






Als ich kürzlich im Krankenhaus lag, schenkte man mir sinnvollerweise ein Büchlein, das von der Psychotherapie lebensbedrohlich kranker und sterbender Patienten handelt (YALOM „Denn alles ist vergänglich“ [2016]). Der kalifornische Schriftsteller-Psychotherapeut

Montag, 22. Mai 2017

Watching you


geduldetes  Therapieraumaccessoire


Erzählt mir doch neulich ein Ausbildungsteilnehmer eine Geschichte, von der ich mich immer noch nicht erholt habe. Die Story ist wirklich ein Kracher!
Es ging darum, dass in der 29. Sitzung einer auf Video aufgenommenen Therapie gleich zu Beginn Kamera und Mikro nicht funktionierten und ausgeschaltet bleiben mussten.

Dienstag, 11. April 2017

«Flachlandpsychologie» oder Der Mangel an Menschen im unterseeischen Raum




Die Fregatte Braunschweig 
durchkämmt das Meer



Neulich tauschte ich mich mit einer Kollegin aus, was so lang angenehm war, bis wir auf die Ausbildung von jungen Psychotherapeuten zu sprechen kamen.
«Mir geht die Ausbildung von Tiefenpsychologen nicht genügend in die Tiefe», sagte sie.

Mittwoch, 15. März 2017

Das psychodynamische EEG





Psychodynamische Theorien zu lernen ist ein echt lebhafter, manchmal auch aufwühlender Ritt quer durch das eigene Es, Ich und Über-Ich! 

Ich persönlich kann das ganz gut, manchmal sogar zu gut mit Libido besetzen. Da kommen dann heftigste Aggressionen hoch, wenn ich beim dritten Lesen etwas immer noch nicht kapiert habe, oder das Herz schlägt bis zum Anschlag

Montag, 6. Februar 2017

Alles muss raus! (Assoziationen zu Grebe: "Zum Wort des Jahres 2016")







Was auf den ersten Blick wie ein Sonderposten billigen, eher als minderwertig einzustufenden Materials aussieht, ist meistens auch auf den zweiten Blick ein Sonderposten billigen, eher als minderwertig einzustufenden Materials. Selbst auf den dritten Blick ist da keine Tiefendynamik drin. Die Österreicher nennen es Abverkauf,

Dienstag, 10. Januar 2017

Zum » Wort des Jahres 2016 «







Kürzlich wurde «postfaktisch» zum Wort des Jahres gewählt und setzte sich damit, Trump sei Dank, gegen «Brexit» und «Silvesternacht» durch. Dass dieses Wort im Jahr 2016 eine deutliche Strahlkraft hatte, ist klar; nicht klar ist eher, warum es nicht zum Unwort 2016 wurde,