René Magritte (1930): "La clef des songes" (Der Schlüssel der Träume), Öl auf Leinwand, Bayerische Staatsgemäldesammlungen |
In letzter Zeit beschäftigt mich das Symbol. Vereinfacht gesagt: Eine Sache steht für eine andere. Das kann recht weitreichend sein – im Rittertum beispielsweise das Taschentuch der Angebeteten für die Verbindung zu dieser selbst. Ein Geldschein für eine spezifische Kaufkraft. Ein Zettel mit einer Telefonnummer darauf als Zeichen für eine Eroberung (und damit für die eigene Attraktivität). Das heiß geliebte Backen der Weihnachtsplätzchen kann beispielsweise für die Liebe der Mutter stehen. Oder, um es noch komplizierter zu machen, für die sehnsüchtig erhoffte, aber kaum erhaltene Liebe der Mutter,
die ihrerseits aus nicht ganz genau klärbaren Gründen eben just dann etwas mütterlich wurde, wenn es um Weihnachtsplätzchen ging. Vermutlich ein Symbol der Liebe ihrer Mutter zu ihr selbst (quasi eine Art transgenerationales Symbol, eventuell leicht abflachend über die Generationen). Die Erinnerung an den kalten Pfeifentabakrauch als Symbol für den Vater (wobei das Adjektiv „kalt“ hierbei schon symbolhaft die Abwesenheit des Vaters einschließt, was das Gespann „kalter Pfeifentabakrauch“ eigentlich zu einem Symbol für den Vaterverlust macht).
So weit, so verwirrend. Diese Verflochtenheit der Dinge, die Psychodynamiker so lieben, findet sich auch in der Literatur (und eventuell lieben Literaten daher oft die Psychoanalyse). So schreibt Pontalis beispielsweise:
„Die Sprache ist Verlust, sie weiß es nur zu gut, sie wird niemals, nicht einmal in der Poesie, unmittelbarer Zugang zur Sache; sie ist in Trauer ... Sprechen und Schreiben machen beide aus dem Verlust eine Abwesenheit.“
Die Sache selbst ist also nicht mehr da. Etwas, was bei Symbolen generell der Fall zu sein scheint. Nichts mit dem oben erwähnten Vater also. Abwesender Vater. Nichts mit dem Band zur Angebeteten (oder dem Angebeteten): Abwesend. Mutterliebe? Weg. Wert eines Geldscheins? Schon mal was von Inflation gehört? Welchen Sinn hat das also alles? Eine große Halde schrecklicher Gefühle von Verlust? Oder sind das alles Übergangsobjekte im Winnicott‘schen Sinne – wenn der Verlust nicht zu ertragen ist, dann brauche ich zumindest eine Simulation der Anwesenheit? Warum muss ich in diesem Moment an Idealisierung denken? Ein Elternteil hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine reelle Chance gegen ein drei Meter großes Monster mit Klauen und scharfen Zähnen, das unter dem Bett lebt. Trotzdem sind Vierjährige da ganz anderer Meinung. Das könnte natürlich daran liegen, dass sie noch nie gesehen haben, wie ein Elternteil einem Monster unterliegt. Es könnte aber auch daran liegen, dass sie in ihrer Idealisierung den Elternteil „aufladen“, sozusagen bis zu dem Punkt, an dem er oder sie das Monster besiegen kann, was der oder die Vierjährige wiederum nutzen kann, um sich durch die Gestalt des Elternteils zu beruhigen (und im späteren Verlauf zu lernen sich selbst zu beruhigen). Selbstberuhigung. Klingt nicht so übel.
Ein Altmeister der Symbole ist für mich René Magritte. In seinen Bildern ist es möglich, alles zu sehen. Man denke nur an seine Bilder von mit Tüchern verhüllten Gestalten und daran, dass man seine Mutter, die sich in einem Fluss ertränkte, mit über den Kopf gespülten Unterrock fand, was Magritte, der damals noch ein Kind war, sah. Ich denke, das macht ihn für Psychodynamiker so interessant. Er selbst hielt wohl nicht viel von Psychoanalyse. Sein wundervolles Bild „Der Schlüssel der Träume“ zeigt, wohl aufgereiht, ein Ei, einen Damenschuh, eine Melone, eine Kerze, ein Trinkglas und einen Hammer – nur dass unter diesen Dingen vollkommen andere Begriffe stehen: Akazie, Mond, Schnee, Decke, Gewitter, Wüste. Der Altmeister glaubte nicht in dieser Art an Symbole. Für ihn war das, was wir in Träumen zu finden suchen, reine Illusion. Unvergesslich ist auch das Bild seiner Pfeife, die keine ist. Auf die Frage, warum es keine Pfeife sei, soll er geantwortet haben: „Versuchen Sie doch, sie zu stopfen.“ Aber vermutlich war sie einfach das Symbol für den fehlenden Vater.
Hier ein grünes Dreieck für Sie, liebe Leser. Das könnte für einen Tannenbaum stehen…
Jan-Erik Grebe
HIP - Dozentenkreis
ehem. Jhg. 2010
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