Sonntag, 17. Juli 2022

Heiß heute!

Patientin: „Es ist heiß heute.“ Therapeutin: „Ja, wir haben Klimawandel.“

https://www.pexels.com/de-de/foto/wayfarer-sonnenbrille-auf-sand-tilt-shift-lens-fotografie-712395/
Diese kleine Sequenz diente auf der diesjährigen HIT-Sommertagung zum Thema „Klima & Psyche - zur Relevanz des Klimawandels in der Psychotherapie“ gleich zweimal als Beispiel, wie man in der Psychotherapie ein Angebot machen kann, über den Klimawandel zu sprechen. Die Interaktion wirkte auf mich erstmal ungewohnt, wenn nicht befremdlich. Letztlich hat sie mich weiter zum Nachdenken angeregt: Was ist es, das da irritiert, gar Unbehagen auslöst und wie könnten wir noch anders damit umgehen?

Sonntag, 10. Juli 2022

Call for papers

Liebe Leser*innen, insbesondere liebe Auszubildende, Dozent/in/en, Angstellte des HIP, 

wir, die Redaktion des HIP-Blogs, wenden uns heute an Sie in eigener Sache. Der HIP-Blog existiert nun seit über 5 Jahren.

Er war zunächst ein Versuch ein paar Interessierter unter der Ideengeberin Frau Normann, in mehr oder minder regelmäßigen Abständen Artikel zu schreiben, die das Therapeut*in-Werden und -Sein und die therapeutische Arbeit selbst unter die Lupe nehmen sollten. Teilnehmen, lesend oder schreibend, sollte alle HIPler*innen, so dass mittlerweile viele Posts von dem HIP auf unterschiedliche Art Verbundenen entstanden sind. Auch die Texte selbst sind facettenreich: manche lustvoll, manche kritisch, mal mehr mal weniger an den Eigenheiten des Lebens psychodynamisch Denkender entlang. Der Blog erreicht viele Leser in ganz Deutschland und darüber hinaus.

Sonntag, 8. Mai 2022

Keiler und Bache

Sind Nachrichten, die ich über WhatsApp empfange, Begegnungen? Eine Freundin schreibt alles klein, und jetzt geht's los: 

"habe aus vollem herzen gelacht über das loriot-video. welch ein kundiger menschenbeobachter!  jetzt hast du die familie wieder vom halse - tut dir das gut? bei uns alles wie gehabt - sehr schön, wohnen weit oben am berg über dem see. gucken tagelang auf den see (nicht schlecht für die seele), schwimmen lange strecken, trinken mal `nen wein oder campari direkt am wasser -  wundervolles nichtstun! jetzt sind die hder freunde, die für die tagesstruktur sorge trugen, weggefahren - so chillen wir, das berg hinaufsteigen gelingt mir im nu, (...der Ehemann) mit seinen malaisen gar nicht mehr, so freuen wir uns ueber den flinken schmalen skoda, der die -  ein paar tage später, hatte vergessen weiter zu schreiben - schmalen bergstraße gut meistert! jetzt schwimmen (...der Sohn) (seit gestern hier und (...der Ehemann) gerade als einziger im see. ich sitze unter olivenbäumen und genieße die ruhe rundum. bis eben hat`s geregnet herzlich (...)”

Ich brauchte eine Weile, bis ich "hder freunde" als "Heidelberger Freunde"  lesen konnte.

Sonntag, 23. Januar 2022

Verständnisvolle Zwillingsschwestern (Über Sympathie und Empathie)

Beim Nachdenken über die psychotherapeutische Tätigkeit ahnt man eine gewisse Tragik des Berufsstandes. Wissen Therapeuten zu wenig, wie es sich anfühlt, mit der affektiven Befindlichkeit des Patienten in Resonanz zu treten, dann verstehen sie zu wenig von ihm und werden dessen persönliche Problematik nur bedingt nachvollziehen, unter Umständen nicht einmal korrekt diagnostizieren können. Sie nehmen zu wenig teil. Wissen Therapeuten stattdessen zu viel davon, weil es ihnen via Identifizierung mit den Nöten des Patienten selber so ergeht wie diesem, dann sind sie und ihre Arbeit über kurz oder lang gefährdet; denn das ständige Überschreiten und Rückgängigmachen der Ich-Du-Grenzen kann energetische Defizite und inhaltliche Unschärfen hinterlassen. Sie beobachten zu wenig. Eines ist dennoch klar: Ohne das „Wissen“ vom Seelenleben, einer theory of mind, sind weder eine theoretische Klärung seelischer Krankheitszustände noch eine hinreichende Fähigkeit im Umgang mit seelisch Kranken zu erwarten.



Doch was ist mit „Wissen“ eigentlich gemeint? Bei der Erörterung der sog. fremdseelischen Erkenntnis, beim Versuch also, das Verstehen zu verstehen, bietet sich ein Blick über den Tellerrand der akademischen Psychologie und Psychoanalyse an sowohl zur Neurobiologie als auch zur Philosophie. Beide Disziplinen zeigen, dass die alltagssprachlich oft konfundierten Begriffe „Mitgefühl“ und „Einfühlung“ unterschiedliche Formen der Erkenntnis meinen. In der Antike wurde diese Differenzierung vorgenommen als „Sympathie“ und „Empathie“.

Montag, 22. November 2021

Abschied - Stufe für Stufe, dann auch gerne

Reaktion auf den Post „Abschied - stufenlos, aber ungern

Der Post zum Thema Abschied hat mich auf verschiedenen Ebenen oder auch Stufen sehr berührt. Viele kennen das Stufengedicht von Hermann Hesse, viele zitieren es bei Verabschiedungen, fokussieren dabei auf die Hoffnung, überspringen jedoch den Abschiedsschmerz, bei sich selbst sowie beim Anderen – man könnte meinen als Versuch, nicht traurig zu sein bzw. die Traurigkeit des Anderen aushalten zu müssen und stattdessen nach vorne zu blicken, auf den „Neubeginn“, z.B. beim Übergang in das Erwachsenenalter. So heißt es in dem Gedicht „Tapfer hörte ich mein Leben rufen“ – also was soll schon passieren mit dem „Zauber, der mich beschützt und mir hilft zu leben“? Über den Verlust des „heimischen“ und „traulichen“ hinwegzuschauen und stets bereit zu sein für „Aufbruch und Reise“, um nicht in „lähmender Gewöhnung zu erschlaffen“, kann Folgen haben, wenn auch zunächst vielleicht nicht sichtbar. Manchmal ist es einem schlichtweg nicht (bewusst) möglich, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. In einer derart (selbst-)optimierungsgefärbten Gesellschaft funktioniert man eben weiter mit Appellen an die eigene Aufbruchs- sowie Leistungsbereitschaft und hoffentlich daraus folgenden Erfolgserlebnissen, die das Gefühl von Kontrolle vermitteln. Man leistet, nie genug, aber doch genug, um immer mehr zu wollen – bis man irgendwann merkt nicht anzukommen.-

Ich glaube, dass dies einen inneren, einsamen Kampf beschreibt, den vermutlich viele junge Menschen an einer solchen Schwellensituation durchleben. Wohin mit all den Gefühlen des Abschiedes, des Verlustes, des Unklaren mit all dem (vermutlich) noch nicht Verarbeiteten aus Kindheit und Jugend? Viele gehen in die Ferne, um die Ablösung mit einer möglichst hohen Kilometerzahl zu erreichen und das Ihre zu finden. Doch was, wenn das nicht gelingt? Wenn man in der Ferne das „Trauliche“ nicht wiederfindet, aber braucht? Dann braucht man vielleicht doch einen geschützten Raum, der zur „Gewöhnung“ wird, einen Platz für einen selbst und ein Gegenüber, das diese Ohnmacht mit-aushält, das zuhört, glaubt sowie versteht, spiegelt, validiert, also anerkennt sowie bestärkt und somit das Alleinsein weniger allein anfühlen lässt: „Der Grund, warum der Patient sich einen Vater wünscht (und einen Analytiker braucht), ist der, dass er ohne eine befriedigende Beziehung zu einem anderen Menschen nicht zu einem sich entwickelnden Ich werden, sich nicht selbst finden kann.“ (Guntrip 1968, S. 174).